Neulich beim Gänseessen

Neulich beim Gänseessen

 Eine Glosse von Michael Schrader

 „Regional, Saisonal, Nachhaltig“ gilt als ein „Muss“ gehobener Gastronomie. Gänzlich zur Farce geraten die modischen Attribute, wenn man erlebt, was Michael Schrader in einem Restaurant erleben durfte, das sich die drei Qualitätsmerkmale auf seine Fahnen geschrieben hatten.

Eigentlich ist es doch eine wirklich schöne Aufgabe, Menschen Genuss und Freude zu bereiten. Doch wie heißt es so schön? Augen auf bei der Berufswahl!
Der Tisch ist für 12 Personen eingedeckt. Wie überall werden zuerst die Getränke bestellt. Ich frage nach einem kräftigen Rotwein im Stil der Kalifornier oder Südafrikaner.

„Wir haben nur deutsche Weine“, kommt als schnippische Antwort.

Entschuldigung, bitte, dann also einen Roten aus dem Rheingau.

Ohne klärende Worte wird mit ein übervolles Glas Wein serviert. Da freut sich der Schnäppchenjäger, der Fachmann indes wundert sich. Kein Ton, was mir da kredenzt wird, woher der Wein kommt, wie er heißt. Stattdessen: Übervoll und ohne Worte. Er schmeckt, auch ohne Worte, belanglos, eindruckslos. Immerhin er war rot.

Auf zur Vorspeise. Da hat sich jemand ja was Tolles einfallen lassen. Wir bekommen ein „Süppchen“ in einer Kaffeetasse mit ein wenig schwimmenden Milchschaum. Auf Nachfrage, was es denn für eine Suppe sei, nennt sie sich „Café“. Genau genommen erinnert die Tassenbrühe eher an einen Kinderbrei aus dem Glas. „Alete“ wäre in diesem Fall ein passenderer Name.

Allemal wurde hier ausführlich der Zauberstab bedient. Inhalt? Keine Ahnung, meine
Geschmacksnerven sind wohl doch zu grob für dieses Amalgam von Sellerie, Petersilienwurzel, Pastinake, oder was auch immer darin püriert wurde.

Auftritt des Chefkochs. Ohne Begrüßung schreitet der Meister mit seiner verdächtig dunkelbraunen Gans zum Beistelltisch und versucht sich in der Kunst des Tranchierens.
Heraus kommt für ein Überraschungsteller für Jeden. Haut für meine Tischnachbarin, herrlich durchgetrocknete Teile, die einmal zum Rücken gehörten, für mich. Mein Gänsefleisch ist  durchaus zur Isolierung von Wasserleitungen geeignet.

Immerhin! Der Initiator des Events bekommt ne Keule.

Thema Beilagen: Ich liebe Grünkohl, ich mag auch Rotkohl sehr gerne und natürlich steht und fällt ne gute Gans mit Gemüse, Klößen und der Sauce.
Das als „regional“ angepriesene Gemüse kommt offensichtlich nicht vom Bauern sondern aus dem Großhandel. Noch wahrscheinlicher aber stammt seine Herkunft aus einer Tiefkühltruhe. Auch die Klöße kennen die Halle einer Food-Fertigungsindustrie.

Begossen, besser, ertränkt wird der Tellerinhalt mit einer so genannten Sauce, auf der eine Fünf Millimeter dicke Fettschicht schwamm. Den Rotkohl hätte man durchaus auch als Dessert servieren können, oder auch mittels einer Infusion verabreichen. Er ist annähernd von flüssiger Konsistenz. Der Grünkohl kommt als ein Gedicht für Zahnlose ohne nennenswerte Geschmacksnerven daher.
„Wie peppt man das Essen auf?“ muss der Koch sich gedacht haben. Und er kam auf eine sensationelle Lösung: Ein halbes Pfund Butter in die Schüssel und schon werden aus Industrieklößen, liebevoll handgemachte Klöße aus regionalen Kartoffeln und aus TK-Gemüse regional angebautes Gemüse vom Bauern im Umland.

Die Krönung jedes Essens ist das Dessert. In diesem Fall kann man das zweite „s“ gut weglassen und es als „Desert“ bezeichnen. Es ist schon „wüst“ was da geboten wird. Auf meine schüchterne Frage, was „das“ denn sei, herrscht mich der Maître de Plaisir wütend an.  „PROBIER!“ platzt es aus ihm heraus. Nach einigem Mundgematsche stellt sich heraus, dass
der Koch wohl versucht hat, ein Griesflammerie herzustellen. Allerdings scheint er einen Teil seiner Ausbildung im Baubereich genossen zu haben. Der so genannte Griesflammerie erinnert doch stark an Bindungsmasse im Dichtungsbereich einer Baustelle. Der Fruchtspiegel, ein weiteres leckeres Produkt der Lebensmittelchemie, wurde noch getoppt von einer leckeren Sprühsahne Haube aus der Dose und den herrlichen Kokosraspeln aus heimisch nachhaltigem Anbau.

Auf den Espresso und einen Obstbrand habe ich besser verzichtet. .

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